Donnerstag, 28. Juni 2012

Prof. Dr. Carsten-Peter Warncke

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Prof. Dr. Carsten-Peter Warncke

Geboren am 21.6.1947 in Hamburg. Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie und Deutschen Literaturwissenschaft in Hamburg, Wien und Heidelberg, Promotion 1975 in Hamburg. Stipendiat der Stiftung Volkswagenwerk an der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel 1976-1978.Wissenschaftlicher Assistent und Hochschulassistent an der Bergischen Universität Wuppertal 1978-1987. Professor für Kunstgeschichte an den Universitäten Göttingen (1987-1989), Tübingen (1989-1992), Braunschweig (1992-1996) und seit 1996 an der Universität Göttingen.

Publikationen zum Thema Ornament und Dekorative Künste:

-Die ornamentale Groteske in Deutschland 1500-1650. 2 Bde. Berlin 1979.
-Carl Becker, Decorative Arts from the Middle Ages to the Renaissance. Text von
Carsten-Peter Warncke. Köln 2011.
-Christoph Jamnitzers “Neuw Grotteßken Buch” - ein Unikat in Wolfenbüttel. In: Wolfenbütteler Beiträge 3, 1978, S. 65-87.
-Bild, Wort und Dekor. Zu einer Kartuschenfolge von Hans Liefrinck aus dem Jahre 1556. In: Imprimatur N.F. XII, 1987, S. 63-79.
-Groteske und Imagerie populaire, in: uni-hh-Forschung. Wissenschaftsberichte aus
der Universität Hamburg 8,1975, S. 173-178
-Rationalisierung des Dekors. Über Kleidung, Schmuck und Verschönerung in der Frühen Neuzeit, in: Richard van Dülmen (Hg.), Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder 1500-2000, Wien - Köln - Weimar 1998, S.159-173
-Rezension von: Rudolf Berliner/Gerhart Egger (Hg.), Ornamentale Vorlageblätter des 15. bis 19. Jahrhunderts, 3 Bde., Müchen 1981, in: Pantheon 41, 1983, S. 86

Günter Irmscher, Kölner Architektur- und Säulenbücher um 1600

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Irmscher, Günter: Kölner Architektur- und Säulenbücher um 1600,
Bonn: Bouvier Verlag 1999
ISBN-10: 3-416-02865-1

Rezensiert von: Jürgen Zimmer

Die Gattung der "Architektur- und Saeulenbuecher", ihre eigenartige Publikationsform zwischen Buch und Graphik, steht nicht gerade im Brennpunkt aktueller Diskussionen, sie stand es wohl nie, auch nicht in den Jahrhunderten ihres Entstehens und ihrer "Bluete", im 16. und 17. Jahrhundert. Es sollte darum auch keine Rolle spielen, dass das Buch, auf das hier aufmerksam gemacht werden soll, schon vor zwei Jahren erschienen ist.

Es beschaeftigt sich eingehend mit einer schwer zugaenglichen Quellengattung; schwer zugaenglich sowohl im praktischen wie im Verstaendnissinn. Sie ist eher in Bibliotheken als in graphischen Kabinetten zu finden. Bislang konnte nur vermutet werden, dass es sich dabei um Veroeffentlichungen von betraechtlicher Relevanz fuer Architekturgeschichte und Architekturtheorie, auch die Entwicklung der Ornamentik im noerdlichen Europa handelt. Zweifellos stehen die an Zahl geringen, sproeden Veroeffentlichungen von unterschiedlichem aesthetischem Reiz auch im Spannungsfeld von Handwerk und Kunst.

Nun ist der Gegenstand erstmals (wohl nur aus aeusserem Anlass auf Koeln konzentriert, obgleich diese Stadt tatsaechlich ein Zentrum jener Buch- und Graphikproduktion gewesen ist) weit ausgreifend in seinen kultur- und kunstgeschichtlichen, auch handwerksgeschichtlichen Kontext gestellt, kompetent und detailreich "aufgearbeitet". Vieles wird dem nicht mehr hinzuzufuegen sein, wenn nicht neue Quellen weitere Details vor allem zu den einzelnen Protagonisten liefern.

1956 hatte Erik Forssman diese Bild-Literatur wieder ins allgemeinere kunsthistorische Bewusstsein gebracht, die von Hubertus Guenther 1988 edierte Sammlung von Seminararbeiten zu den Vorlaeufern jener "Vorlagen"-Werke hat deren Genese beleuchtet. Seitdem hat sich kaum jemand mehr systematisch mit den Architekturbuechern des spaeten 16. und 17. Jahrhunderts befasst. So mangelte es vor allem an einem fundierten und genuegend umfassenden Ueberblick und zuverlaessigen Beschreibungen dieser Architekturbuecher. Beides hat Guenter Irmscher, der das Thema mit seinen Arbeiten zur Ornamentik und Goldschmiedekunst seit 1978 umkreist hat, mit der notwendigen Akribie geleistet.

Nach einer "Vorbemerkung" hat der Verfasser seine Arbeit in zwei grosse Teile mit jeweils zwei Unterabschnitten gegliedert: 1. - an Forssman erinnernd -: "Architektur, Saeule und Ornament" mit: "Vitruv und Vitruv-Nachfolger". Im Vitruv-Kapitel findet man eine treffliche Charakterisierung des roemisch-kaiserzeitlichen Architekturbuchs und seiner nachantiken Uebersetzungen und Interpretationen, beginnend bei Alberti und endend mit Hans Vredeman de Vries, sowie der Bedeutung dieses programmatisch vorbildlichen Werkes fuer die Architektur, den Baumeister und den Baubetrieb der fruehen Neuzeit. Man wird ueber die zentralen Kategorien unterrichtet, welche die hierarchischen Strukturen des "decor" (Vitruv) bzw. "decorum" (Horaz) bestimmten, die aesthetische Grundvoraussetzungen fuer das Verstaendnis der Architektur- und Saeulenbuecher. Die "Saeulenlehren" Serlios, Blums, Vignolas und de Vries' werden vorgestellt, ein Exkurs behandelt sinnvoller Weise an dieser Stelle die mittelalterliche Stillehre und endet mit Wendel Dietterlin. Alles in allem eine notwendige, jedoch streng auf das anstehende Thema hin gerichtete Durchdringung der historischen Voraussetzungen nach fast jeder moeglichen Richtung. Alles ist durch die gerade zu diesen grossen Themenkomplexen ungewoehnlich reichhaltige fruehere Forschung und Literatur belegt, dingfest gemacht und konzis dargestellt.

Ein wenig zu kurz mag dabei der von Vignola (1562) bis Laugier (dt. Uebers. d. 2. Ausg.1758) aktuelle kuenstler-soziologische Aspekt gekommen sein, wo es um die alte Frage geht, ob der Baumeister/Architekt nun primaer ein Handwerker oder ein Kuenstler sei. Einige der Architekturbuecher koennen naemlich auch als Zeugnisse des Strebens von Handwerkern nach dem gesellschaftlich mittlerweile hoeherwertigen Status des Kuenstlers (Architekten) verstanden werden.

Dem eigentlichen Thema ist der zweite Hauptteil gewidmet: "Die Koelner Architektur- und Saeulenbuecher", ein Gegenstand, der zunaechst, gegenueber dem im ersten Teil entwickelten weiten kultur- und kunstgeschichtlichen Rahmen, allzueng gefasst anmutet. Er ist dies aber keineswegs, denn die Darstellung der primaer handwerklichen Traditionen und Bedingungen, unter denen die graphischen Erzeugnisse der Schreinerzunft entstanden, setzt sich im gleichen Massstab fort. Der in der fruehen Neuzeit noch nicht so wie heute festgelegte Begriff "Architekt" wird thematisiert und mit ihm auch der des "vitruvianischen" Schreiners bzw. des "vitruvianischen" Architekten im Sinne der Zeit um 1600. Hier gibt es - u.a. aus den Zunftordnungen gewonnene - Erkenntnisse von Gewicht, die den Hintergrund fuer die Entstehung der Architektur- und Saeulenbuecherbuecher aufhellen.

Der zwischen Architekturtheorie und Ornamentik angesiedelte "Inhalt" dieser Buecher: Architektonische Formen, vor allem Saeulen, Termen, ornamentales Beiwerk, Laubwerk, "Rolwerk", "Schweiffen", auch ganze Tischlerarbeiten, wird eingehend beschrieben und in seiner Genese erklaert; eine kleine Geschichte der Moebelvorlagen folgt, bevor im 2. Hauptteil die Inventoren Veit Eck, Johann Jacob Ebelmann, Jacob Guckeisen, Gabriel Krammer und Rutger Kaseman mit ihren Werken umfassend behandelt werden. Der Verfasser katalogisiert kritisch die Buecher und Stich- bzw. Radierungsfolgen, wobei er verschiedene Ausgaben und Auflagen unterscheidet. Bei einer Gattung von Veroeffentlichungen, die auch in Einzelblaettern verbreitet waren und oftmals auch von den jeweiligen Besitzern individuell zusammengestellt worden sind, ist mit einer grossen Zahl nicht identischer Exemplare zu rechnen.

Der Verfasser hat offenbar zahlreiche Exemplare verglichen und seine Schluesse auf deren Vollstaendigkeit bzw. ihren fragmentierten oder gemischten Charakter gezogen. So waere es praktisch gewesen, er haette ein bestimmtes Exemplar, das er fuer vollstaendig befunden hat, zur Grundlage seiner Beschreibung genommen und dieses dann auch genau benannt (mit Aufbewahrungsort, Sammlung und Signatur). Vielleicht hat er dies auch getan, es in den Beschreibungen aber nicht deutlich gemacht. Hier hat er sich mit der Nennung von "Beispielen erhaltener Exemplare" begnuegt, in einzelnen Faellen scheint ihm auch keines bekannt geworden zu sein. Man weiss deshalb nie, ob seine Beschreibung nun ein (ideell) vollstaendiges Exemplar trifft oder ein konkretes, u.U. eines der "erhaltenen" Exemplare. Die Beschreibung der Werke ist dann auch nicht so genau, wie man es sich wuenschen wuerde. Man kann z.B. aus der Beschreibung des "Schweyf Bvoch" von Ebelmann/Guckeisen nicht entnehmen, dass es auch Text enthaelt. Erst bei den "Beispielen erhaltener Exemplare" erfaehrt man, dass es im Germanischen Nationalmuseum ein Exemplar "ohne Textseiten" gibt. In diesen Details bleibt der Katalog eingeschraenkt nuetzlich.

Die Architektur-, Saeulen-, Schreiner- und Ornamentbuecher bzw. Graphikfolgen sind nicht als Objekte fuer Antiquare, Buechersammler und Bibliothekare entstanden. Die Autoren wollten in erster Linie ihren Handwerkskollegen Vorlagen zur Anregung der eigenen Phantasie bereitstellen. Inwieweit die Buecher diesen Zweck erfuellt haben, ist noch kaum untersucht. Entsprechende Forschungen duerften denn auch mit betraechtlichen Schwierigkeiten zu rechnen haben. Auf jeden Fall haben Saeulenbuecher fuer den Export bestimmter Ornamentformen bis nach Kreta z.B., auch nach Lateinamerika eine Rolle gespielt, wie gelegentliche Untersuchungen nachgewiesen haben. Irmschers grundlegende Arbeit wird solche Forschungen kuenftig jedenfalls wesentlich erleichtern, zumal die beigegebenen Abbildungen zahlreich und von ausreichender Qualitaet sind.

In der einleitenden Skizze der Forschungslage zu seinem Thema fuehrt der Verfasser ein kleines Scheingefecht gegen die bisherige Forschung: Er kritisiert z.B. die Behandlung "seines" Themas im Dictionary of Art (1996) so, als wuesste er nicht, dass solch ein Lexikon der Kuenste aller Zeiten und Laender kein Kuenstlerlexikon ist. Es wird darin das Bekannte zusammengefasst und nicht das in jedem Artikel Dargestellte eigens erforscht. Wenn man die nackten Informationen zu den einzelnen Inventoren, die der Autor in seiner umfangreichen Arbeit bietet, ansieht, wird man feststellen, dass auch diese nicht weit ueber solche lexikongerecht konzentrierten Daten hinausgehen. Es fehlt eben an neu erschlossenen Quellen, wie der Verfasser selbst feststellt. Auch erklaert sich leicht, weshalb Gabriel Krammer mit seinen beiden, in Prag um 1600 erschienenen Architekturbuechern in "allen Publikationen zum derzeit modischen Thema der Kunst am Hofe Rudolfs II. in Prag nicht genannt wird". Eben deswegen, weil sich bisher niemand forschend so intensiv mit diesem "Rudolfiner" beschaeftigt hat, wie Irmscher. "Modisch" ist die Kunst am Hof Rudolfs II. wohl ohnehin niemals gewesen, sie war es auch 1997- 99 nicht durch die zwar spektakulaeren, im "Ergebnis" aber weitgehend redundanten Ausstellungen zwischen Essen (1988) und Prag (1997). Gleichwohl faellt die Bluetezeit der Architektur- und Saeulenbuecher mit derjenigen der Prager Hofkunst unter Rudolf II. zusammen und so ist es schon bemerkenswert, dass sich bis zu Irmscher niemand sonderlich fuer das Architekturwerk des aus Zuerich stammenden Krammer, der als Pfeifer bei der Trabantengarde des Kaisers arbeitete, interessiert hat.

Guenter Irmscher kann sich das Verdienst zurechnen lassen, zu einem selten behandelten Thema viel Neues beigetragen zu haben.

Quelle: http://arthist.net/reviews/216

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